Im Interview berichtet Torsten Kreutzer, Projektleiter Construction Execution Systems Wirtgen Group, über seine ersten Schritte in der Wirtgen Group und wie man Synergien mit John Deere nutzen kann.
Herr Kreutzer, Sie kommen aus dem John Deere Konzern. Wie bewerten Sie generell die F&E Abteilungen der Wirtgen Group? Für wie innovativ halten Sie das Unternehmen?
Die Wirtgen Group Produktmarken sind klare Technologie- und Marktführer in ihrer jeweiligen Nische. Das merkt man auch, wenn man mit den Entwicklern und Experten zu tun hat. Wirklich beeindruckend, mit wie viel Leidenschaft hier am Fortschritt gearbeitet wird. Aufgrund der hohen Spezialisierung der Produktmarken sind die Entwicklungsthemen auch viel komplexer als ich mir das zunächst vorgestellt habe.
Was glauben Sie ist das Erfolgsgeheimnis, warum die Wirtgen Group Produktmarken Maßstäbe in der Technologie setzen?
Zum einen sicherlich die hohe Spezialisierung, aber auch die Kundennähe. Die Entwickler sind im direkten Austausch mit den Anwendern der Maschinen. Wünsche und Anregungen aus dem Feld fließen direkt in die Entwicklung mit ein. Viele Entwickler sind gleichzeitig Anwendungsexperten und können sich mit den Maschinenfahrern auf Augenhöhe unterhalten. Sie sprechen eine Sprache. Deshalb kommen die Entwicklungen auch so gut bei den Maschinenbedienern an.
„Die Entwickler sind im direkten Austausch mit den Anwendern der Maschinen.“
Torsten Kreutzer, Projektleiter Construction Execution Systems Wirtgen Group
Wie beurteilen Sie die Synergien, die sich im Zusammenspiel mit John Deere auf Entwicklungsebene ergeben werden?
Da liegt ein enormes Potenzial. Bei den Telematik und Steuerungstechnologien können wir von den Erfahrungen unserer John Deere Kollegen profitieren. Kaum eine Branche ist so weit in Sachen Umsetzung der methodischen Ansätze von Industrie 4.0 wie die Landtechnik. Es liegt nahe, diese Ansätze zu analysieren und – soweit sinnvoll – auch auf den Straßenbausektor zu übertragen.
Das bedeutet im Umkehrschluss, der Straßenbau hinkt dem Fortschritt hinterher?
Nein, denn wir können nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Landwirtschaft und Straßenbau haben sicherlich Schnittmengen, wenn wir auf die Maschinentechnologien blicken. Doch an die Arbeitsprozesse und auch die Logistik herrschen ganz unterschiedliche Anforderungen. Beim Thema Digitalisierung wird das deutlich.
Was sehen Sie bei der Digitalisierung?
Im Straßenbau liegt einer der Gründe für das geringere Digitalisierungsniveau darin, dass die unterschiedlichen Gewerke einer Baumaßnahme vielfach als „Baustelle in der Baustelle“ isoliert und dazu noch von verschiedenen Dienstleistern realisiert wurden. Dies hat in der Branche die großflächige Einführung von digitalen Hilfssystemen gebremst. Die Wirtgen Group hat aber als Technologieführer frühzeitig die Voraussetzungen für die Digitalisierung ihrer Baumaschinen geschaffen. Prozessabläufe und -details werden heute umfassend dokumentiert und die gesammelten Informationen Teil einer vernetzten Baustellenanalyse.
Was denken Sie? Wie offen sind Anwender für Digitalisierung bzw. Telematik-Lösungen grundsätzlich?
Die Mehrheit ist von digitalen Technologien sofort begeistert, sobald sie sehen, dass sie zum Beispiel mit der automatischen Dokumentation Qualität steigern und gleichzeitig sichern können. Auch die Möglichkeiten zur vorbeugenden Gerätewartung oder Fernüberwachung werden geschätzt. Hier profitieren unsere Kunden heute schon vom Big Data der Wirtgen Group Maschinen, die wir ihnen über unser Flottenmanagement WITOS Fleetview bereitstellen.
In welche Richtung werden die Entwicklungen Ihrer Meinung nach gehen? Wo liegen mögliche Herausforderungen?
Konkrete Prognosen sind immer schwer, da sie von vielen Einflussfaktoren abhängen. Sehr hilfreich bei der Weiterentwicklung künftiger Telematik-Lösungen werden neue Kommunikationsstandards wie 5G sein. Sie werden es uns erlauben, mit hoher Bandbreite deutlich schneller Informationen zu kommunizieren und damit auch für unsere Endkunden effizienter nutzbar zu machen. Auch die vielen Einzelprozesse im Straßenbau besser in einer gemeinsamen Lösung zu integrieren, wird eine der zentralen Herausforderungen sein. Damit würde die Branche einen entscheidenden Schritt in Sachen Industrie 4.0 machen. Die Wirtgen Group ist mit den Telematik-Lösungen für ihre Technologien schon richtig weit.
Kommen wir abschließend noch einmal zu den Synergien mit John Deere. Wie sehen diese konkret in Ihrem Projekt aus?
Die Zusammenarbeit mit John Deere und den Entwicklungsteams von Wirtgen, Vögele, Hamm, Kleemann und Benninghoven läuft sehr positiv. Die Vorteile für die Wirtgen Group wurden schnell transparent. John Deere unterstützt unsere Entwicklungsarbeit mit eigener Manpower, ermöglicht uns Einblicke in ihr gelerntes Wissen und stellt sich auf unsere Herausforderungen ein. Wir arbeiten an einem gemeinsamen Ziel, dadurch haben wir einen Wettbewerbsvorteil. Viele John Deere Technologien oder das Entwicklungswissen, auf das wir vollen Zugriff haben, hätten sich die einzelnen Wirtgen Group Unternehmen in eigener Entwicklungsarbeit und auch mit eigenem Budget nur schwerlich erreichen können. Jedenfalls nicht so zeitnah. So machen wir alle einen gewaltigen Sprung nach vorne.